Ju-Jutsu

Die Bedeutung des Wortes Ju-Jutsu

Die aus dem Japanischen stammende Bezeichnung Ju-Jutsu lässt sich somit ins Deutsche als Sanfte Kunst oder Kunst des Nachgebens bzw. Ausweichen übersetzen. Gemeint ist damit die Kunst, durch Nachgeben bzw. Ausweichen, die Angriffe des Gegners abzuwehren bzw. den Angreifer durch die Aufnahme und Weiterleitung der Kraft seines Angriffs, zu besiegen.

Die Wirksamkeit von Ju-Jutsu beruht somit nicht auf Kraft oder Gewalt, sondern auf einer guten Technik, die es auch dem Schwachen ermöglicht, sich erfolgreich gegen einen stärkere Angreifer, verteidigen zu können.


Selbstverteidigung nach den Budo-Prinzipien

Ju-Jutsu ist die moderne Selbstverteidigung für die Praxis des täglichen Lebens, optimal, leicht erlernbar und vielseitig anwendbar. Doch angefangen hat es nach der Jahrhundertwende in Europa mit dem Jiu-Jitsu, der Kunst der waffenlosen Selbstverteidigung. Die in ihm enthaltenen Elemente wurden im Judo, aber auch im Karate, Aikido usw. fortentwickelt und spezialisiert. Für eine umfassende Selbstverteidigung ist jede dieser Disziplinen jedoch nur ein Teil des Ganzen geblieben. Die Vollkommenheit liegt in der Zusammenfassung zu einem System.

Aber auch die Angriffe sind raffinierter, vielfältiger, vor allem aber gefährlicher geworden. Hier galt es, diesen ein Selbstverteidigungssystem entgegenzusetzen, das leicht erlernbar und einprägsam ist und den optimalen Gebrauch der Selbstverteidigungstechniken garantiert.

Im Ju-Jutsu sind die Erkenntnisse der vorgenannten Budo-Disziplinen, aber auch neue unter dem Grundsatz "aus der Praxis für die Praxis" zu einer modernen und sehr wirkungsvollen Selbstverteidigung zusammengeschlossen. Und weil Ju-Jutsu so effektiv ist, wurde es bei den Polizeien der Länder und dem Bundesgrenzschutz als dienstliches Pflichtfach eingeführt


Geschichtliche Entwicklung

Erst um die Jahrhundertwende wurde das Ju-Jutsu - insbesondere durch Matrosen eingeführt - auch in Europa als Jiu-Jitsu bekannt. Die Griffe und Schläge wurden im Laufe der Zeit mit Ringergriffen und Boxtechniken vermengt und als Selbstverteidigung propagiert. Es entstand sozusagen ein "europäisches Jiu-Jitsu", eine Art Verteidigung, bei der wenig vom "nachgebenden" oder "ausweichenden" Prinzip zu erkennen war.

1906 war es Erich Rahn, der in Berlin die erste Jiu-Jitsu-Schule gründete und sich damit das historische Verdienst erworben hat, die edle Kunst der japanischen Selbstverteidigung in Deutschland etabliert zu haben. Seine Schule besteht noch heute in Berlin.

1922 folgten u.a. die bekannten Altmeister Alfred Rhode in Frankfurt/Main und Otto Schmelzeisen in Wiesbaden mit Vereinsgründungen. Sie waren die deutschen Pioniere des Jiu-Jitsu und Judo.


Ju-Jutsu das neue System

Das "Europäische Jiu-Jitsu" war als nicht mehr zeitgemäß anzusehen. Somit war es dringend erforderlich, etwas Neues zu schaffen. Richtungsweisend hierfür bot sich die "Goshin-Jitsu-No-Kata" das Kodokan an. Hochgraduierte Dan-Träger wurden damit beauftragt, die Voraussetzungen für eine effektive, moderne Selbstverteidigung zu erarbeiten. Das ist unter Federführung von Franz-Josef Gresch und Werner Heim gelungen, so daß im Jahre 1969 das Ju-Jutsu offiziell eingeführt wurde.

Das neue System geht nicht vom Angriff aus, sondern primär von den Selbstverteidigungstechniken, die aus Grundformen des Judo, Karate und Aikido ausgesucht wurden. Die Techniken sind in den einzelnen Prüfungsprogrammen für Schüler- und Meistergrade nach Schwierigkeitsstufen geordnet. Jede Verteidigungstechnik ist gegen mehrere Angriffsarten anwendbar und beständig zu üben mit dem Ziel, die Bewegungsabläufe zu automatischen Reflexen (sog. Automatismen) im Unterbewußtsein zu entwickeln.
In Kombinationen sind die Techniken als dann sinnvoll zu verbinden und in der "freien" Verteidigung gegen "freie" Angriffe zur echten Kunst der Selbstverteidigung zu perfektionieren. Bei dieser Methode wird bereits mit einer kleinen Auswahl von Verteidigungstechniken von Anfang an ein größtmöglicher Nutzeffekt durch variable Anwendung erzielt. Durch diese Vielseitige Anwendbarkeit gegen alle Arten von Angriffen ergeben sich weit mehr als 1000 Verteidigungsmöglichkeiten.


Der deutsche Ju-Jutsu Verband vergibt aufgrund von Prüfungen oder verleiht aufgrund von Meisterschaftserfolgen oder Verdiensten Kyu- bzw. Dan-Grade. Es gibt folgende Gürtel-Farben:

Kyu / Schülergrade

Die Schülergrade werden als Kyu bezeichnet. Die Schülergrade sind farblich verschieden und werden mit wachsender Erfahrung und Können immer dunkler. Bei den Gürtelprüfungen Kyu 5-3 im Jugend Bereich bis 14 Jahre, können auch Zwischenprüfungen zu der nächsten Graduierung abgelegt werden. Welche dann durch einen farbigen Aufnäher oder Streifen auf den Gürtel zu erkennen sind.

Kyu-Grad Farbe Vorbereitungs-/ Wartezeit
6. Kyu 6.Kyu - weißer Gürtel weißer Gürtel 1/2 Jahr
5. Kyu 5.Kyu - gelber Gürtel gelber Gürtel 1/2 Jahr
4. Kyu 4.Kyu - orangener Gürtel orangener Gürtel 1/2 Jahr
3. Kyu 3.Kyu - grüner Gürtel grüner Gürtel 1/2 Jahr
2. Kyu 2.Kyu - blauer Gürtel blauer Gürtel 1/2 Jahr
1. Kyu 1.Kyu - brauner Gürtel brauner Gürtel 1 Jahr

Dan / Meistergrade

Meistergrade bezeichnet man als Dan. Der 1. - 5. Dan sind Schwarzgurte und können durch Prüfung erworben werden. Bei diesen Dan-Graden können an einem Gürtelende farbliche Streifen, zur Unterscheidung der Dan-Grade getragen werden.

Dan-Grad Farbe Vorbereitungs-/ Wartezeit
1. Dan 1.Dan - schwarzer Gürtel schwarzer Gürtel 1 Jahr
2. Dan 2.Dan - schwarzer Gürtel schwarzer Gürtel 2 Jahr
3. Dan 3.Dan - schwarzer Gürtel schwarzer Gürtel 3 Jahr
4. Dan 4.Dan - schwarzer Gürtel schwarzer Gürtel 4 Jahr
5. Dan 5.Dan - schwarzer Gürtel schwarzer Gürtel 5 Jahr

Dan / Meisterehrengrade

Ab dem 6. Dan werden die Gürtel ehrenhalber durch Verdienste und Engagement im Ju-Jutsu verliehen und können nicht mehr durch Prüfung erworben werden.
Der 6., 7. und 8. Dan sind wahlweise auch schwarz, oder rot-schwarz oder rot-weiß.
Der 9. und 10. Dan werden durch einen roten Gürtel gekennzeichnet.

Dan-Grad Farbe Wartezeit
6. Dan 6.Dan - rot-weißer Gürtel rot-weißer Gürtel 6 Jahr
7. Dan 7.Dan - rot-weißer Gürtel rot-weißer Gürtel 6 Jahr
8. Dan 8.Dan - rot-weißer Gürtel rot-weißer Gürtel 6 Jahr
9. Dan 9.Dan - roter Gürtel roter Gürtel 6 Jahr
10. Dan 10.Dan - roter Gürtel roter Gürtel 6 Jahr

Grundsätze

Höflichkeit, Demut und Respekt sind die Grundlage der Etikette und werden durch den Gruß (Rei) symbolisiert. Die Etikette ist im Ju-Jutsu nicht nur eine äußere Form, sondern eine innere Haltung und damit schließlich der Weg zur inneren Ruhe und Ausgeglichenheit.
Die Werte des Budo und damit des Ju-Jutsu liegen neben dem Erlernen einer Vielzahl von Techniken auch in der strengen Etikette dieser Sportart begründet. Nur wenn Technik und Grundsätze der Etikette von der Gemeinschaft eines Dojos mit Leben erfüllt werden, können die Schüler des Ju-Jutsu den eigentlichen und wahren Wert des Budo erkennen. Es ist die Aufgabe und Pflicht, im besonderen der hohen Danträger, dafür zu sorgen, dass auch in einem der heutigen Zeit angepassten, modernen Ju-Jutsu der wertvolle Geist des traditionellen Budo erhalten bleibt.

Kleiderordnung
  • Der Ju-Jutsuka trägt einen sauberen Anzug (Gi).
  • Bei Prüfungen wird stets ein weißer Gi getragen, auf Lehrgängen und im Wettkampf ist auch ein blauer Gi möglich, im Training ist ein weißer, schwarzer und blauer Gi erlaubt.
  • Mädchen und Frauen tragen ein T-Shirt oder Sporttop unter dem Gi.
  • Der Gürtel ist korrekt gebunden und die Farbe entspricht dem Stand der abgelegten Prüfung.
Körperhygiene
  • Der Ju-Jutsuka ist stets gepflegt; er hat geschnittene Zehen- und Fingernägel.
  • Schmuck, Uhren etc. dürfen nicht getragen werden, nicht abnehmbarer Schmuck ist mit Tape abzudecken (Verletzungsrisiko!).
  • Der Ju-Jutsuka trägt außerhalb der Matte oder des Dojo aus Hygienegründen immer Schuhe(Tabis, Sandalen oder Badeschuhe).
Betreten des Dojo oder der Matte
  • Die Schuhe werden mit der Ferse zur Matte abgestellt, die Matten nie mit Schuhen betreten.
  • Vor dem Betreten der Matte oder des Dojo verneigt man sich wobei der Blick zum Boden abgesenkt wird: hierdurch drückt man dem Ort des Lernens Respekt aus und ordnet sich den Regeln und der Etikette des Dojo unter. Alle Gedanken und Probleme des Alltags bleiben zurück.
  • Die Matte wird zuerst mit dem linken Fuß betreten (Achtsamkeit).
Angrüßen vor und nach dem Training
  • Aufstellung: aus Sicht des Lehrers stehen die hohen Graduierungen links, die niedrigen rechts, unterstützende Lehrer stehen links vom Hauptlehrer.
  • Seiza: abknien zuerst mit dem linken Bein, dann mit dem rechten, Zehen sind aufgestellt und werden erst vor dem Absitzen abgelegt, die Hände liegen auf den Oberschenkeln oder werden wie in der klassischen Zen- Meditationshaltung ineinander gelegt.
  • Mokuzo: der Ju-Jutsuka verharrt in völliger Bewegungslosigkeit und versucht seine Gedanken abzuschneiden. Dies geschieht entweder durch Konzentration auf den Atem oder das Zählen der Atemzüge.
  • (Mokuzo-)Jame: die Meditation wird aufgelöst und die Hände werden aus der Meditationsstellung auf die Oberschenkel gelegt.
  • Rei: Lehrer und Schüler verneigen sich zueinander, die Hände werden im Dreieck auf die Matte gelegt und leicht mit der Stirn berührt, dies schließt den individuellen in sich selbst gerichteten Prozess ab.
  • Aufstehen: zuerst erhebt sich der Lehrer, dann die Schüler: Aufrichten in den Kniestand, Zehen aufstellen, mit Drehung rechts aufstehen.
  • Rei: Lehrer und Schüler verneigen sich zueinander, die Hände werden auf die Oberschenkel gelegt, die Beine sind geschlossen.
  • Kommandos: werden vom Lehrer oder dem ranghöchsten Schüler erteilt.
  • Trainingsbeginn
Verneigen zum Lehrer (Meister oder Sensei): "Sensei ni rei"
  • Augen werden abgesenkt (Hintergrund: vom Lehrer geht niemals eine Gefahr aus).
  • Die Hände werden auf die Oberschenkel gelegt.
  • Das Verneigen geschieht in respektvoller Achtung.
Verneigen zum Partner "Otogai ni rei"
  • Blickkontakt wird aufrechterhalten (Hintergrund: der Partner ist imaginärer Gegner).
  • Die Hände werden auf die Oberschenkel gelegt.
  • Das Verneigen soll Respekt und Achtung vor dem Partner zum Ausdruck bringen.
Verhalten auf der Matte
  • Der Ju-Jutsuka trainiert immer ruhig, konzentriert, respektvoll und achtsam.
  • Eine ordentliche Haltung (Stand, Fersensitz oder Schneidersitz) auf der Matte ist selbstverständlich.
  • Höher Graduierte sind stets für niedriger Graduierte verantwortlich.
  • Die Sicherheit und Unversehrtheit des Partners hat stets Vorrang.
  • Bei Würfen ist auf Sicherung des zu Werfenden aber auch auf Eigensicherung zu achten.
  • Bei Hebeln und Würgern ist rechtzeitig abzuschlagen.
  • Die Trainingspartner und Wettkampfgegner werden mit Respekt behandelt. Es wird stets fair trainiert oder gekämpft ohne unsportliche Techniken oder Hintergedanken.
  • Der Ju-Jutsuka wahrt immer seine Selbstbeherrschung. Er tritt bescheiden auf und ist durch sein Verhalten für andere ein Vorbild.
  • Während dem Training sind Gespräche zu unterlassen. Um sich zu verständigen genügen leise und kurze Erklärungen.
  • Muss der Ju-Jutsuka die Matte oder das Dojo verlassen, so hat er sich stets beim jeweiligen Lehrer abzumelden.
  • Erklärungen werden durch dreimaliges in die Hände klatschen des Lehrers angekündigt. Die Schüler sammeln sich ruhig und unverzüglich im Halbkreis um den Lehrer.
  • Vor und nach Trainings- oder Lehrgangspausen nehmen Lehrer und Schüler Aufstellung zueinander ein und grüßen im Stand mit Rei.
Verhalten in der Gürtelprüfung
  • Der Ju-Jutsuka erscheint pünktlich und mit allen nötigen Unterlagen am Prüfungsort.
  • Der Prüfling steht aus der Sicht des Prüfers immer rechts vom Prüfer, sein Partner links.
  • Prüfling und Partner verneigen sich zum Zeichen des Respekts zueinander vor und nach jedem Prüfungsabschnitt oder bei jedem Partnerwechsel. Ein Verneigen zum Prüfer erfolgt nur am Anfang und am Ende der Prüfung.
  • Alle Prüfungsteilnehmer verhalten sich ruhig und konzentriert, sie sind stets bereit als Prüfling oder Partner zur Verfügung zu stehen.
  • Weisungen der Prüfungskommission sowie das Prüfungsergebnis werden vom Prüfling ohne Diskussion akzeptiert.
Verlassen der Matte oder des Dojo
  • Das Dojo wird stets nur in sauberem und aufgeräumtem Zustand verlassen.
  • Vor dem Verlassen verneigt man sich in Richtung der Mattenfläche, der Blick ist zum Boden gerichtet, Hände liegen auf den Oberschenkeln.
  • Die Matte wird zuerst mit dem rechten Fuß verlassen.

Loyalität gegenüber Meister, Dojo, Trainingskollegen, Verein und Verband

Verfasser:
Dieter Meyer (6. Dan), Gerd Enders (6. Dan), Peter Dendl (5. Dan), Josef Schörner (2. Dan)